3. Symp. Nat. Attenuation 4./5. 12. 2001 DECHEMA Frankfurt/M. — Posterpräsentation --

Geochemische Grundwasser-Kartierung

des oberen Aquifers

in Bremen

mit

7 Themenkarten 1:25000

von

Dieter ORTLAM & Michael SAUER*

Copyright, alle Rechte vorbehalten

 

Im Zuge der hydrogeologischen Bearbeitung von Altlasten, die in Bremen durch eine gute behördliche Zusammenarbeit bereits Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ungewöhnlich früh einsetzten, ergab sich Mitte der 80er Jahre das Problem, dass viele auswärtige Gutachter die edaphischen geochemischen Bedingungen des oberen Aquifers von Bremen nicht kannten bzw. vorhandene Literatur (u. a. Baugrundkarte Bremen, ORTLAM et al.1980/81) negierten und damit zu recht abenteuerlichen und nicht den Gegebenheiten entsprechenden Aussagen über die Gefährdungsabschätzung und die Sanierung von Altlasten kamen. Um diesen Problemen rechtzeitig, fachgerecht und für den Steuerzahler kostengünstig und –minimierend zu begegnen, wurden dem damaligem Amt für Stadtentwässerung und Stadtreinigung der Freien Hansestadt Bremen (heute Bremer Entsorgungsbetriebe mit den jeweiligen Tochtergesellschaften) der Vorschlag einer flächenhaften geochemischen Kartierung des oberen Aquifers von Bremen Ende der 80er Jahre unterbreitet. Mit Hilfe des speziell für das Bremer Becken entwickelten Rollenden Peilrohres (ORTLAM & SAUER 1995a) konnte Anfang der 90er Jahre in wenigen Monaten die Grundwasserproben in einem sehr engen Rasterabstand von 500m und darunter umweltschonend, schnell, aussagekräftig und vor allem sehr preiswert gewonnen und analysiert werden. So wurden in der ersten Phase Temperatur, Leitfähigkeit, pH-Wert, Gesamt-Eisen, Chloride, Sulfate und der Magnesium-Gehalte bestimmt und ausgewertet (ORTLAM & SAUER 1993), in einer späteren Phase erfolgte die Bestimmung und Auswertung von Calcium und Nitraten anhand von Rückstellproben(ORTLAM & SAUER 1999).

Die geochemischen Verhältnisse im oberen Aquifer von Bremen sind sehr facettenreich, bedingt durch geologische und anthropogene Einflüsse. So bewirken die Überdeckungen des Aquifers in der Auenlehm-Marsch und in der Moor-Marsch südwestlich bzw. nordöstlich der langgestreckten Bremer Düne (= zentrale Grundwasserscheide im Bremer Becken nordöstlich der Weser) unterschiedliche geochemische Grundwasser-Faziesräume (ORTLAM 1993), z. B. bei der Konzentration von Gesamt-Eisen und von Wasserstoffionen (=pH-Wert). Darüber hinaus werden mit Hilfe des DGH-Effektes (ORTLAM 1989, ORTLAM & SAUER 1993) von hochaufragenden Salinaren des Bremer Beckens -- anerodiert durch tiefe pleistozäne Rinnensysteme – und des vorliegenden Treppenhaus-Leakage-Effektes die spezifisch schweren Salzwässer in den oberen Aquifer transportiert. Diese mineral spots bzw. salt spots sind im Bremer Becken zahlreich verbreitet und geben Anlass zur Ansiedlung von Salzpflanzen (=Binnensalzstellen) wie z. B. der bekannten Pannlake im Hollerland nordöstlich der Universität Bremen am Südwestrand des Salzstockes "Lilienthal" (Caprock-Oberfläche bei ca 180m u. NN) und der Binnensalzstelle an der Ahauser Mühle im niedersächsischen Wümmetal südwestlich von Rotenburg am Nordrand des Salzstockes "Wedehof" (Caprock-Oberfläche bei ca 200m u. NN).

Anthropogene Einflüsse des oberen Aquifers sind recht vielfältig zu beobachten wie z. B. die massive Infiltration von mit Kaliabwässern belastetem Weserwasser (Chloride, Sulfate, Natrium, Calcium und Magnesium) besonders im Bereich der Staustufe Bremen-Hemelingen mit ihrer gewaltigen Umströmungsreichweite von 6km nach Nordosten bzw. 3km nach Südwesten.

Während das Grundwasser unter den ausgedehnten landwirtschaftlichen Flächen Bremens extrem geringe Nitrat-Konzentrationen (< 5mg/l) aufweist, sodass zukünftig die Bremische Gülleverordnung zu relativieren wäre, konnten dagegen in den bebauten Gebieten der Bremer Düne sehr hohe Nitrat-Anomalien (bis 200mg/l) festgemacht werden. Sie können von den Abwasserausträgen des im 2. Weltkrieg durch Bombenteppiche beschädigten und über der freien Grundwasser-Druckspiegelfläche liegenden Mischkanalsystems abgeleitet werden. Eine nach der Kartierung der Nitrat-Anomalien vorgenommener Abgleich mit entsprechenden Kanal-Fernsehaufnahmen ergab jeweils in diesen Abschnitten erhöhte Kanalröhren-Schadstellen. Aber erst die Kombination beider Untersuchungen macht Sinn, da eine alleinige Beurteilung mit Fernsehaufnahmen nicht genügt, weil eine Beurteilung über die Durchlässigkeit von Schadstellen von innen kaum eine quantitative Aussage zulässt. Auch hier gilt der Bergmannsspruch: "Hinter der Ortsbrust ist es dunkel". Somit kann die geochemische Grundwasser-Kartierung eine wichtige Einschätzung über den potentiellen Sanierungsumfang schadhafter Kanalsysteme abgeben, da dieser bis jetzt sehr schwer in den urbanen Bereichen abzuschätzen ist (einschlägige ATV-Publikationen).

Beim Vergleich der geochemischen Grundwasser-Faziesräume über den beiden Salzstöcken "Lesum" und "Lilienthal" zeigen die mineral spots recht unterschiedliche Parameter an. Während über und am Rande von "Lilienthal" durch den DGH-Effekt chloridische und sulfatische Tiefenwässer aufsteigen, fehlt überraschenderweise die chloridische Komponente über und am Rande von "Lesum" fast vollständig (<20mg/l). Daraus lässt sich der wichtige und weitreichende Schluss ziehen, dass der Salzstock an seiner Salzspiegeloberfläche (ca 320m u. NN) sich vollständig mit einem Residualton abgedichtet hat und nur der darüber sich befindliche Gips des ca 200m mächtigen Caprocks (Oberfläche bei 130 m u. NN) heute zur Grundwasserlaugung ansteht. Somit lässt sich – völlig überraschend -- aus einer (flachgründigen) geochemischen Grundwasser-Kartierung das heutige und zukünftige Laugungs-/Lösungspotential eines Salinars ableiten d. h. der vollständigen Trennung zwischen unverritztem Salinar und der Hydrossphäre, die z. B. über dem Salinar "Gorleben" nicht gegeben ist (ORTLAM 2000) und somit als Endlagerstandort nicht nur aus hydrogeologischer Sicht kaum geeignet erscheint. Zahlreiche (>25) und tiefreichende (>200m) Erdfälle sind durch die Laugungs-/Lösungsvorgänge in quartären Warmzeiten (z. B. Eem und Holozän) mit den mächtigsten Torffüllungen Europas (>33m) im Geestbereich des Salzstockes "Lesum" entstanden. Im Marschenbereich von "Lesum" sind die Laugungshohlräume dagegen wieder mit Marienglas aus Sulfat-übersättigten Grundwasserlösungen rekristallisiert worden, sodass hier mehrfach erbohrte Marienglas-Großdrusen mit einem Durchmesser von (!)30m vorliegen (ORTLAM & SAUER 1995b).

Die Verteilung der Magnesium-Konzentration zeigt überraschenderweise nicht nur die Exfiltration von Weserwasser in den oberen Aquifer Bremens an, sondern auch die Lösungsfahne einer Kohleflugasche-Deponie des Kraftwerkes Farge (Fa Preussenelektra) im Bereich der Rekumer Mühle (Bremen-Nord), die Ende der 70er Jahre in einer Sandgrube dicht über der freien Grundwasser-Druckspiegelfläche angelegt wurde.

Die vielfältigen und z. T. überraschenden Ergebnisse der geochemischen Grundwasser-Kartierung von Bremen bilden nun die heutigen Backgroundwerte natürlicher und anthropogener Genese ab, sodass in Zukunft gutachterlich auf diesen Parametern aufgebaut werden sollte, um zu kostengünstigen Aussagen für die Untersuchung und die Sanierung von Altlasten zu gelangen. Das in 3 Jahren durchgezogene Projekt zeigt, dass selbst mit relativ bescheidenen Mitteln (ca 500000.- DM) eine Fülle von bedeutenden Erkenntnissen zu erzielen ist. Dies sollte für andere Kommunen Anlass und Ermutigung sein, dieser ersten flächenhaften geochemischen Grundwasser-Kartierung einer Großstadt in der Welt weitere edaphisch ausgerichtete Kartierungen folgen zu lassen, um auch die Aspekte des natürlichen Abbaues einschließlich Verdünnungsprozesse etwas besser in den Griff zu bekommen.

Schrifttum

ORTLAM, D. (1989): Geologie, Schwermetalle und Salzwasserfronten im Untergrund von Bremen und ihre Auswirkungen. – N. Jb. Geol Paläont. Mh., 1989, 8:489-512, 11 Abb., 3 Tab., Stuttgart.

---(1993): Grundwasserversorgung, Hydrogeologie und Grundwasser-Faziesräume in Bremen. - Aus: Trinkwasserversorgungsbericht des Landes Bremen 1993, 112 S., 49 Abb., 18 Tab., Bremen (Senat der Freien Hansestadt Bremen).

---(2000): Bewirtschaftung mariner Süßwasserquellen. – gwf Wasser/Abwasser, 141, 12:865-873, 10 Abb., München.

ORTLAM, D. & SAUER, M. (1993): Geochemische Grundwasser-Kartierung Bremen. – Atlas mit Erläuterungen, 28 S., 9 Abb., 60 Ktn., 1Anl., Bremen (Bremer Entsorgungsbetriebe).

---(1995a): Das "Rollende Peilrohr" -- ein neues umweltschonendes, schnelles und kostengünstiges Grundwasserentnahmeverfahren zur Untersuchung von Altlasten in Lockergesteinen. – Jber. Mitt. oberrhein. geol. Ver., N. F. 77: 287-305, 11 Abb., Stuttgart.

---(1995b): Das Grundwasser in Bremen – seine geogene Prägung und seine Beeinflussung durch Altlasten. – N. Jb. Geol. Paläont. Mh., 1995, 6:336-354, 9 Abb., 1 Tab., Stuttgart.

---(1999): Geochemische Grundwasser-Kartierung in einem urbanem Raum am Beispiel der Stadt Bremen – Calcium- und Nitrat-Verteilung im oberen Grundwasserleiter . – NLfB Arbeitshefte Wasser, 1999,1, 26 S., 12 Abb., 24 Ktn., Hannover.

ORTLAM, D., SCHNIER, H., SEYLER, E. & WEMPE, H. (1980/81): Baugrundkarte Bremen, Teile A-D (1:10000 und 1:25000) mit Erläuterungen. – 41 S., 12 Abb., 3 Tab., 48 Ktn., Bremen (Senator für das Bauwesen).

___________________________________________________________________________

Adresse der Autoren und Copyright: Dir. u. Prof. Dr. Dieter ORTLAM, P.O.B. 102701, D-28027 Bremen; Dr. Michael SAUER, Münzmeisterstr. 12b, D-01217 Dresden