Der Ursprung der Acher (Nord-Schwarzwald)

anhand historischer Recherchen

sowie die glaziale Genese des Ruhesteins (Schwarzwaldhochstrasse)

 

-- In memoriam Prof. Dr. Julius Euting (1839-1913) --

 

mit 17 Abb.

von

Dir. und Prof. Dr. Dieter Ortlam*

 

Copyright, alle Rechte vorbehalten

 

1. Einleitung

 

Der Autor beschäftigt sich seit den 50-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit diversen geowissenschaftlichen Themen in Mitteleuropa (u. a. Aufbau des Buntsandsteins, tektonische Verhältnisse des Oberrheingrabens, Glazialgeologie, Hydrogeologie und Geothermik). Dabei wurde auch der Bereich des nördlichen Schwarzwaldes genaueren geowissenschaftlichen Forschungen unterzogen (D. Ortlam 2003). Im Zuge dieser saisonalen Geländeerkundungen in seiner (ehemaligen) Heimat erschien im Jahre 2001 zuerst ein Zeitungsbericht im „Acher- und Bühler Boten“ und danach eine Publikation über „Die Quelle der Acher im Ruhesteinloch (842 m NN)“ von Götz Bubenhofer im Festband „Einblicke“ zum 125-jährigen Bestehen des Gymnasiums Achern“ im Jahre 2002. Im Rahmen einer oberstufigen, geographischen Schüler-Leistungsgruppe, betreut von Herrn Alfred Nissel, wurde die (angebliche) Acherquelle im Ruhesteinloch „gefunden“ und auf 842 m NN fixiert (tatsächliche Höhe jedoch: 852 m NN) und vor Ort mit Unterstützung der Gemeinde Seebach und der forstlichen Dienststelle „Schwarzenkopf“ mit einem beschrifteten Buntsandstein-Markierungsstein versehen. “Dass die Acherquelle einmal am darüber liegenden Vogelskopf (1.057 m NN) vermutet worden sei“ (G. Bubenhofer 2002), entspricht wohl kaum den bisher bekannten hydrographischen Gegebenheiten und keiner literarischen Quelle (Abb. 1).

 

 

Abb. 1: Die Acher (Hirtensteinquelle/Mummelsee – Seebächle/Seebach – Feldbach/Mühlbach – Rheinseiten-/niederungsgraben) und deren Nebenflüsse mit ihrem Gebirgseinzugsgebiet ( - - - ) von 62 km² oberhalb der Wehranlage Oberachern (Abzweigung des Mühlbaches).

 

 

Das Wissen um den Ursprung der Acher wurde dabei alleine aus den einschlägigen amtlichen topographischen Kartenwerken (Maßstäbe 1:50.000 bis 1:5.000) – erstmals hergestellt vom damaligen Großherzoglich-Badischen Vermessungsbureau (Karlsruhe) seit dem Jahre 1843 (Abb. 2; W. Beck 1997) -- und deren Derivaten (z. B. Wanderkarten des Schwarzwaldvereins 1:50.000, G. Jülg 2003) abgeleitet. Eine genaue historische Recherche zum Acher-Ursprung unterblieb jedoch bedauerlicherweise bei diesen jüngsten Aktivitäten. Diese wäre aber hierbei durchaus sinnvoll und zweckmäßig gewesen, um früher begangene Fehler zum Acher-Ursprung im Zuge der amtlichen topographischen Aufnahmen in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht noch weiter zu wiederholen und zu manifestieren.

 

 

Abb. 2: Ausschnitt aus dem ersten topographischen Atlas des Großherzogtums Baden (Maßstab 1:50.000) von 1843 mit der ersten (irrtümlichen) Benennung des bisher namenlosen Quellbaches aus dem Ruhesteinloch als „Acher“ (Reprint: W. Beck 1997).

 

 

2. Historische Quellen

 

Bereits in den verschiedenen Sagen des Achertales, insbesondere jenen des Mummelsees, wird vom Ursprung der Acher berichtet, deren Name aber erst seit etwa 1090 n. Chr. durch den Ort „Acchera“ (= am schnell fließenden Wasser des Acherdeltas gelegen; keltischen oder althochdeutschen Ursprungs nach W. Ketterer & R. Knapp 1890, H. Schneider 1977, R. Vogt 1996 bzw. H.-M. Pillin 1997und St. Molitor 1997) auf dem Acher-Delta am Gebirgsausgang zur Oberrheinebene historisch nachzuweisen ist. Alle früheren Jahreszahlen (E. Jehle 1955) sind bisher nicht belegbar bzw. beruhen auf einem Druckirrtum, sodass die bereits im Jahre 1950 stattgefundene 900-Jahrfeier von (Nieder-) Achern/Oberachern leider etwas verfrüht war und im Jahre 1990 dann endgültig von der Großen Kreisstadt Achern „verschlafen“ wurde.

In der Sage „Die guten Seejungfrauen“ wird dabei der Ursprung der Acher im Mummelsee erwähnt (W. Schultze & S. Früh 1994).Aus der Oberacherner Dorfbuch (W. Teichmann 1934, Stadtarchiv Achern) sind so extrem trockene Sommer in den Jahren 1471 und 1534 überliefert, dass der Mummelsee sogar als natürlicher Stausee zur Niedrigwasser-Aufhöhung der Acher genutzt wurde, indem man seinen natürlichen Abfluss über die Endmoräne dieses würmeiszeitlichen Karsees aufgrabend stetig tieferlegte (Abb. 3 und 4). Auf diese Weise war ein konstanter Zufluss über (!)die Seebach (siehe Situationsplan der Sägemühle Bürck, Seebach, von 1841, Abb. 5) und die Acher gewährleistet, um die vielen lebenswichtigen Mühlräder des Achertales in Betrieb zu halten. Die klugen Bewohner des Achertales kannten anscheinend damals schon sehr genau die hydrologischen Verhältnisse des Seebaches als bedeutender Oberlauf der Acher und nutzten sie entsprechend bei extremen meteorologischen Ereignissen (z. B. Trockenzeiten) vorübergehend aus. Aus dem Ruhesteinloch floss damals sicher kein Wasser mehr, da alle Quellen in diesem Bereich bei lang anhaltender Trockenheit nahezu versiegen (z. B. in den Trocken-Sommern 1959 und 2003). Weitere Trockensommer sind aus den Jahren 1556, 1570, 1590 und 1766 überliefert (Oberacherner Dorfbuch im Stadtarchiv Achern, Abschrift von W. Teichmann 1934).

 

 

Abb. 3: Älteste Darstellung des Mummelsees (Athanasius Kircher 1678, II. Bd., S. 112) mit dem Acherabfluss („Seebächle“, nach unten) mit (heute noch vorkommenden) Bergmolchen sowie dem Panoramablick über den „Katzenkopff“/“Horngrindt“ (links oben), den Wildsee rechts von der „Grindt“ (= Altsteigerskopf, rechts oben) und das Ruhesteinbachtal von oben nach unten (=„Achert“, ganz rechts) mit Keiser´s Steg (=„Alter Weg/Alte Strasse“).

 

 

Das Versiegen der Quellen ist auch durch die geologischen und hydrogeologischen Bedingungen gut nachvollziehbar (Abb. 6): weil aufgrund des Einfallens der am Ruhestein ca. 200 m mächtigen Buntsandstein-Schichtglieder der Kammlagen mit 2° nach Osten (D. Ortlam 1974a) am (badischen) Westhang des Nordschwarzwaldes nur sogenannte Überlaufquellen vorliegen, deren Quellschüttungen starken Schwankungen unterworfen sind, d. h. es liegen perenierende Quellen vor (z. B. „Dürrbaden“-Quelle). Die großen Schichtquell-Horizonte liegen dagegen nach K. Regelmann (1934) in den Quellbachbereichen der Rot- und Recht-Murg und ihrer Zuflüsse auf der württembergischen Seite des Nordschwarzwaldes (Abb. 6). Über die relativ hohe Porosität von im Mittel 15% und die stark wechselnden Permeabilitäten zwischen 5 und 55 mdarcy (M. Wachutka 1998)des ehemaligen Bausandsteins (K. Regelmann 1934) -- heute der höhere Teil des unteren Buntsandsteins und die Volpriehausen-Folge (mit dem mittlerem Konglomerat, smcm) des tieferen mittleren Buntsandsteins (Abb. 6) -- sind Folge der Lösung der ursprünglich hohen Kalk- und Gipszement-Gehalte des Buntsandsteins. Noch heute lassen sich diese original hohen Zementgehalte bei großer Muschelkalk-Überdeckung im Bereich Nagold und der Wutachschlucht sowie in den (Erdöl-)Tiefbohrungen im Kraichgau und dem deutsch-schweizerischen Alpenvorland, z. B. dem Nordschweizer Becken, feststellen (D. Ortlam 1970 und 1974b).

 

 

 

Abb. 4: Mummelsee zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Blick auf die Endmoräne des Mummelsee-Kares mit fünf aufliegenden Buntsandsteinblöcken (= Kar-Endmoräne), dem Abfluss der Acher (= “Seebächle“, rechts unten), einer Unterstandshütte (links) und dem großen Hirtenstein an der Basis der Karwand des Mummelsees (rechts hinten; Litho aus A. Hirth 1980, S. 155).

 

 

 

Abb. 5: Situationsplan zur Errichtung der Sägemühle Bürck (Seebach-Grimmerswald) mit die Seebach (Pfeil) als Oberlauf der Acher (Gemeinde Seebach/Staatsarchiv Freiburg/Brsg.).

 

 

Einer der ersten historischen Darstellungen des Oberlaufes der Acher oberhalb von Kappelrodeck (Abb. 7) erfolgte durch einen Stich von 1678 n. Chr. von A. Kircher, worauf der Mummelsee als Quellbereich der Acher unschwer zu identifizieren ist. Diese Darstellung beruht auf den Schilderungen eines Vorortbesuches im Nordschwarzwald durch Elias Georg Loretus (Florenz) am 12. Mai des Jahres 1666, sehr wahrscheinlich unter der ortskundigen Führung des Renchener Schultheißen H. J. C. von Grimmelshausen (1668/69). Während hierbei noch sehr detailliert die Täler des Unterwassers und des Legelsauer Grimmerswald-Baches zur Darstellung gelangen, fehlt bezeichnenderweise die Abzweigung vom hinteren Seebach zum Ruhesteinloch, d. h. im Bereich des Hinterseebacher Zinkens „Achert“ (= schnell fließendes Wasser, am starken örtlichen Gefälle gelegen). Diese Lokal-Bezeichnung ist wahrscheinlich eine synonyme Benennung wie der Ort „Acchera“. Der Zinken „Achert“ verleitete vermutlich die Autoren der ersten amtlichen topographischen Landesaufnahme des Großherzogtums Baden (1824-44) dazu, ohne historische Recherchen und örtliche Erkundungen, den Oberlauf der Acher -- am Zinken „Achert“ vorbei -- ins Ruhesteinloch zu verlegen (Abb. 2 und 8). Dies war somit eine glatte amtliche Fehlleistung, die sich bis in die Gegenwart auswirkt (G. Bubenhofer & A. Nissel 2002, G. Jülg 2003). Auch dem Autor wurde in der örtlichen Schulausbildung zu Achern noch diese (falsche) amtliche Version geboten.

Die (nicht amtlichen) Kartenwerke des 18. Jahrhunderts weisen dagegen die Bezeichnung „Acher“ immer unterhalb von Seebach aus (Abb. 9). Oberhalb von Seebach ist dagegen die Bezeichnung „Seebach“/“Seebächle“/ „Wolfsbrunn“ auf den diversen Kartenwerken gebräuchlich (Abb. 5, 9 und 10). Dass der Oberlauf eines Flusses oft anders benannt wird als dessen Unterlauf, kann an folgenden Beispielen belegt werden:

 

 

 

Abb. 6: Geologisch-hydrogeolgischer Schnitt Ruhestein (Sammelprofil Vogelskopf-Büblesplonkopf-Rotmurg) mit perinierenden Überlaufquellen am Westhang und den Schichtquellen im Osten des Nordschwarzwälder Hauptkammes; das Einfallen der Buntsandsteinschichten (real: 2° nach Osten) ist verstärkt dargestellt; VH 0 = Violetter Horizont mit Karneol am Top des Rotliegenden (Aufschlüsse: „Viehluke“ an der Schwarzwaldhochstrasse, Atzelbacher Höhe/Sohlberg), Qu. = Schichtquell-Horizont mit (unterschiedlich starkem) Quellaustritt; Trockenriss-/Fährten-Horizont (Aufschluss: alter badischer Steinbruch am 1000 m-Weg der Vogelskopf-Karwand), smcm = Mittleres Konglomerat (Aufschluss: Schichtbänke am Gipfel-Denkstein des Schliffkopfes), VH 1 = Violetter Horizont 1 im höheren Hauptkonglomerat, smk = Kieselige Sandsteine, VH 2 = Violetter (Karneol-) Horizont 2 (Aufschlüsse: alter Steinbruch Elme, „Lothar“-Pfad am Büblesplonkopf), so1 = Untere Sandsteine/Zwischenschichtenkonglomerat (Aufschluss: „Lothar“-Pfad am Büblesplonkopf), VH 3 = Violetter Horizont 3, so 2 = Mittlere Sandsteine, so 3 = Obere Sandsteine, so 4 = “Röttone“(D. Ortlam 1967), GW = Grundwasserspiegel-Fläche; Moderne Gliederung des Buntsandsteins: Z/suB = Bröckelschiefer-Folge, suG = Gelnhausen-Folge, suS = Salmünster-Folge, smV = Volpriehausen-Folge, smD = Detfurth-Folge, smH = Hardegsen-Folge, smS = Solling-Folge, soR = Röt-Folge (nach D. Ortlam 1974b).

 

 

n      Die Breg als Oberlauf der Donau (= 48,5 km Länge, im Gegensatz zur Brigach mit 42,6 km Länge und 930 m NN Quell-Höhe) mit ihrer Quelle unterhalb der Martinskapelle in 1.090 m NN Höhe (F. Burgert 1949, dem Entdecker der wahren Donauquelle).

n      Die Werra als Oberlauf der Weser (D. Ortlam 1994 und 1996) mit ihrer Quelle im Thüringer Wald (längerer –nämlich 6,5 km – und in Sachsenbrunn stärker wasserführender Saaroberlauf mit der bereits im Jahre 1492 n. Chr. erwähnten Siegmundsburger Quelle in 810 m NN Höhe unterhalb dem Dreiherrnstein mit dem höher gelegenen – nämlich 861 m NN -- Wassereinzugsgebiet im Bereich der Dürren Fichte, im Gegensatz zum offiziell kürzeren – nämlich 5,5 km -- Fehrenbacher Quell-Lauf in nur 770 m NN Quell-Höhe und einem niedrig gelegenen Wassereinzugsgebiet am Eselskopf mit 842 m NN).

n       Der Seebach (südlicher Schwarzwald) zwischen Feld- und Titisee, die Gutach zwischen Titisee und Kappel/Gutachbrücke als Oberlaufbezeichnungen der Wutach.

n      Der Grindenbach (nördlicher Schwarzwald) als Oberlauf des Lierbaches (Allerheiligen-Wasserfälle)

n      Der Seebach (mittlerer Schwarzwald) als Ablauf des Glaswaldsees und Hauptzufluss der Wolfach.

n      Der Seebach (nördlicher Schwarzwald) als Ablauf des Herrenwieser Sees (= kleiner Mummelsee) und Hauptzufluss des Schwarzenbaches.

 

 

 

Abb. 7: Älteste Darstellung (Athanasius Kircher 1678, II. Bd., S. 112) des oberen Achertales zwischen Kappelrodeck (rechts unten) und dem Mummelsee (links oben) sowie das Unterwassertal bei Ottenhöfen (mittig) zum Kloster Allerheiligen (nicht dargestellt).

 

 

 

Abb. 8: Kartendarstellung aus einem späteren Fremdenführer des Achertales mit dessen Ursprung im Mummelsee nach Ketterer & Knapp (1890).

 

 

Der Grund für diese unterschiedlichen Bezeichnungen von Ober- und Unterlauf eines Fließgewässers liegt einfach darin begründet, dass die örtlich ansässige Bevölkerung die Benennung individuell vornahm, und ein Namensaustausch mit anschließender, sprachlicher Vereinheitlichung à la heutiger (hydrologischer) DIN-Norm unterblieb. So war dies auch im Achertal der Fall. Es gibt jedoch noch eine weitere Karte des damaligen Postkutschenwesens, in der unzweideutig die Acher ihren Urprung im sagenumwogenen Mummelsee hat und der Mühlbach sich am Beginn des Acher-Deltas in Oberachern sich als natürlicher Acherlauf direkt zum Rhein abspaltet (Abb. 11).

 

 

 

Abb. 9: Erste französische Kartendarstellung (um 1750, Strasbourg) des Kappler- und Seebachtales oberhalb von Ottenhöfen bzw. Seebach (Gemeinde Seebach).

 

 

 

Abb. 10: Erste forstliche Karte (um 1750) im Gebiet zwischen Hornisgrinde („Dee Kopff“)/Mummel-See (mit Seebachabfluss), Baadenkopf (= Seekopf) und Ruhestein mit noch namenlosem Quellbach aus dem Ruhesteinloch (Pfeil); erste kartographische Benennung des „Ruhesteins“ als natürliches Objekt (Naturschutz-Zentrum Ruhestein).

 

 

 

Abb.11: Ausschnitt aus einer Special-Karte der Post aus dem Jahre 1752 mit der Darstellung des Acher-Ursprungs im Mummelsee (= Lacus Mirabilis) und der (natürlichen) Abzweigung des Mühlbaches am Beginn des Acher-Deltas in Oberachern (aus: A. Hirth 1991, S. 177).

 

 

Auch in den letzten 150 Jahren hielt sich jedoch in der Bevölkerung des Achertales, -- zeitweise als Kapplertal bezeichnet (Französische Karte von 1750, Abb. 9; J. Bader & C. Kiefer ~1850, Abb. 12) -- die historisch gewachsene Meinung, dass der Ursprung der Acher im Bereich des Mummelsees liegt – trotz anderer Bezeichnung auf den vorhandenen (amtlichen) Kartenwerken. Vor allem J. G. F. Pflüger (1858, S. 75) gibt in seiner schulbuchartigen Beschreibung von Baden folgendes kund (vergleiche Abb. 4):

„Nur auf der Seite, wo dem (Mummel-) See die Acher als klarer Bergquell entfließt, ist ein freundliches Plätzchen, und hier ist auch vor einigen Jahren eine Hütte erbaut worden, wo der Wanderer ein Obdach findet“.

Das bekannte Lied des Kappelrodecker Schnapsbrenners Karl Troxler (1840-1916) „Das Kappler Tal“ aus dem Jahre 1899 (A. Hirth 1999, S. 6-7) sagt außerdem in der ersten Strophe folgendes aus:

„Von dem Mummelsee durch ein enges Tal fließt über Fels und Stein die Acher schnell....“.

 

Auch in der geschichtlichen Einführung in der Beschreibung der nahezu 100-jährigen Kappelrodecker Kirche St. Nikolaus wird die Acherquelle im Bereich des Mummelsees beschrieben (W. Scheurer 1982).

Als Fazit der historischen Recherchen lässt sich feststellen, dass unterhalb von Ottenhöfen bis zur Mündung in den (Ober-)Rhein bei Greffern bzw. heute unterhalb der Rheinstaustufe Iffezheim die Acher als Gewässername und oberhalb von Ottenhöfen die oder der Seebach bzw. oberhalb Hinterseebach das Seebächle oder der Wolfsbrunn als Gewässernamen benutzt wurden und werden.

 

 

Abb. 12: Kartendarstellung aus dem ersten Fremdenführer des Achertales mit dessen Ursprung im Mummelsee nach Bader & Kiefer (~1850).

 

 

3. Hydrologische und geographische Bewertung

 

Die Acher floss von ihrer bisherigen (amtlichen) Quelle im Ruhesteinloch in 852 m NN über Seebach, Ottenhöfen, Kappelrodeck, Oberachern über das Acher-Delta nach Achern. Ab Achern („Schmierbrücke“) – in historischer Zeit bereits ab der Wehr-Abzweigung des Mühlbaches in Oberachern (Abb. 13; Gasthaus „Feldbach-Stube“) -- verlief sie mit dem anderen Namen „Feldbach“ über Lichtenau-Greffern in den Rhein, wobei die Länge des Fluss-Systems insgesamt 40 km betrug (Abb. 1) und ein Gefälle vom Ruhesteinloch bis zur ehemaligen Achermündung in Greffern von 730 m (852 m minus 122 m) zu verzeichnen war. In Oberachern spaltet sich ein ehemaliger Acherlauf am Wehr Wattefabrik/Heuschmidmühle  ab (R. Vogt 2002, Abb. S. 73) – als Mühlbach (= “Swarzaha“ nach A. Hirth 1991, S. 34) vom Kloster Schwarzach im Mittelalter zur Nutzung der Wasserkraft ausgebaut und unterhalten – und verläuft über Achern, Großweier, Unzhurst, Moos, Schwarzach, Stollhofen und mündete unterhalb von Söllingen in den (Ober-)Rhein. Vor Moos mündet linksseitig in den Mühlbach das von Gamshurst kommende Schwarzwasser (= Swarzaha), das seinen Namen von braunen, huminsauren Grundwässern der stark moorigen Kinzig-Murg-Rinne ableitet.

 

 

Abb.13: Blick auf das Acher-Wehr in Oberachern, Gewann „Steinbuckel“, mit der Mühlbachabzweigung und dem Bienenbuckel. Altes Foto (um 1916) aus dem Besitz von Prof. Dr. Ortlam.

 

 

Seit der Fertigstellung der Rheinstaustufe Iffezheim im Jahre 1977 werden der Feldbach („Felderbach“ nach A. Hirth 1991, S. 34) in Greffern und der Mühlbach in Söllingen vom rechtsseitigen Rheinseitengraben bzw. Rheinniederungskanal aufgenommen. Diese vereinigen sich mit dem Sandbach bei Iffezheim und münden auf einer Höhe von 112 m NN nach einem Verlauf von 12 km bei der Wintersdorfer Eisenbahnbrücke in den (Ober-) Rhein. Die Gesamtlänge des Acher-Flusssystems bemisst sich also heute auf insgesamt 53,1 km, wobei ein Gesamtgefälle von 740 m (852 m minus112 m) zu verzeichnen ist. Soweit die bisherigen amtlichen Versionen (Abb. 1).

Nach folgenden anerkannten Kriterien wurde und wird die Erkundung des Ursprungs (der Quelle) eines Fluss-Systems vorgenommen:

 

n      (1) nach der historischen Überlieferung und dem daraus hervorgehenden Prioritätsrecht zur Benennung der ursprünglichen Flussnamen

n      (2) nach der größten Länge des Quellbaches

n      (3) nach der höchstgelegenen Quelle

n      (4) nach der größten durchschnittlichen Wasserführung unter Berücksichtigung des Trockenwetterabflusses

 

„Acher“-Quelle (Ruhesteinloch), jetzt: Ruhestein-Quelle (hiermit, Abb. 1)

            R: 34 42450  H: 53 80900; TK 7415 Seebach

(1)   keine Benennung vor 1843 (Abb. 10), danach irrtümliche Benennung des Ablaufes als „Acher“, jedoch nicht als Acherquelle benannt, wie dies auf den amtlichen topographischen Karten für die Quellen der Rechtmurg (unterhalb des Schliffkopfes) und der Rotmurg (unterhalb des Vogelskopfes an der Ruhestein-Sprungschanze) geschehen ist.

(2)   Quellbach-Länge bis zur Einmündung in das Seebächle in Hinterseebach (510 m NN): 2,650 km (jetzt: Ruhesteinbach, hiermit)

(3)   Quell-Höhe: 852 m NN (Ruhesteinloch)

(4)   Quell-Typ: (perinierende) Überlaufquelle (= Qu.) an der Grenze zwischen dem grobbankigen, gut geklüfteten Bausandstein (früher: smb) und dem darunter liegendem leicht bindigen, nicht geklüfteten Eck´schen Konglomerat (früher: smc1, heute: suB+G, Abb. 6) mit extremen Quellschüttungen zwischen 0,5 und 20 l/sec; die mittlere Quellschüttung beträgt ~8 l/sec

 

 

Abb. 14a: Der eistransportierte, kantengerundete Ruhestein (Sandsteinblock des höheren Bausandsteins smV, siehe Abb. 6) mit einem Soldaten des Ersten Weltkrieges im Jahre 1915 an der (ehemaligen) baden-württembergischen Landesgrenze im Ruhestein-Pass mit drei verschiedenen Grenzpfählen im Hintergrund (Leg: A. Gnjezda, Seebach).

 

 

Abb. 14b: Der Ruhestein (Pfeil) als Bausandstein-Erratikum (oberirdisch ca 5 to Gewicht) auf einer >3 m mächtigen Lockergesteinsanhöhe (= Grundmoräne) im Ruhestein-Pass (916 m NN) links neben den drei verschiedenen Grenzpfählen des Großherzogtums Baden und des Königreiches Württemberg (Blick nach Osten; Foto um 1905; Leg.: U. Notz, Bad Urach).

 

 

Bemerkungen: Die Namen Ruhestein, Ruhstein, Ruopstein und Ruogstein sind uralt (Abb. 10) und stammen von einem im Ruhestein-Pass (916 m NN) noch bis zum Jahre 1936 liegenden, kantengerundeten Sandstein-Block (Volumen ca. 2 m3 = 5 to Gewicht) aus dem höheren Bausandstein (smV, Mittlerer Buntsandstein, Abb. 6). Er diente einst den mühselig den Pass überschreitenden Händlern (von Seebach über den Keiser´s Steg, heute: Alter Weg/Alte Strasse; Abb. 3) als willkommener Rastplatz vor der späteren Gründung einer Raststätte/Hotel in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Ruhestein lag auf einer >3 m mächtigen Grundmoränen-Kuppe (Abb. 14a und 14b) im ansonsten U-förmigen Pass zwischen Vogelskopf (1.057 m NN) im Süden und Seekopf (1.054 m NN) im Norden, sodass er nun als ein von Norden nach Süden durch mächtiges Inlandeis herantransportierter, erratischer Block zu deuten ist. Ein solifluidaler Transport (= Hangfließen) ist aufgrund der örtlich gegebenen Pass-Morphologie und den nicht in den Pass hinabreichenden, eckigen Blockschutthalden des Vogelkopfes und des Seekopfes ausgeschlossen. Dieser Inlandeis-Transport fand jedoch in einer prä-risszeitlichen Kaltzeit (? Mindel-Kaltzei oder älter, >500.000 a) statt, wo bereits im (badischen) Oberrheingraben und im Nordschwarzwald eine über 1.000 m mächtige Inlandeisdecke (Abb. 15) des von Norden kommenden Skandinavischen Inlandeises nachgewiesen werden konnte (D. Ortlam 2003).

 

Dürrbaden-Quelle (Altsteigerskopf, Abb. 1), R: 34 43400  H: 53 82550; TK 7415 Seebach

(1)   Frühere Benennung erfolgt (Abb. 10), jedoch keine konkrete Quellenlokalisation

(2)   Quellbachlänge bis zur Einmündung in das Seebächle in Hinterseebach (510 m NN): 3,350 km

(3)   Quell-Höhe: 1.030 m NN im Altsteigerskopf-Moor an der Darmstädter Hütte

(4)   Quell-Typ: Moorquelle mit extrem unterschiedlichen Quellschüttungen zwischen 0 und 50 l/sec

(5)    

Hirtenstein-Quelle (Mummelsee, Abb. 1), R: 34 41030  H: 53 84920; TK 7415 Seebach

(1)   Frühere Benennung erfolgt mit genauer Quellenlokalisation (Abb. 4 und 16)

(2)   Quellbachlänge („Seebächle“) bis zur Einmündung in Hinterseebach (510 m NN): 3,250 km

(3)   Quell-Höhe: 1.035 m NN (Karwand des Mummelsees)

(4)   Quell-Typ: Schichtquelle (= Qu.) an einer Tonsteinlage des tieferen, gut geklüfteten Bausandsteins (früher: smb, heute: Trockenriss- und Fährten-Horizont am Top von suG, Abb. 6) mit unterschiedlichen Quellschüttungen zwischen 5 und 30 l/sec; mittlere Quellschüttung ~15 l/sec

 

 

Abb. 15: Blick vom Mummelsee-Parkplatz (1.030 m NN) auf das Wolkenmeer des oberen Seebachtales mit einer Wolkenobergrenze bei 1000 m NN (badische Seite) und der bei 1.100 m NN gelegenen Wolkenobergrenze (württembergische Seite) jenseits von Schwarzenkopf-Altsteigerskopf-Seekopf und Ruhestein-Pass (von links nach rechts) mit sehr seltenen Wolkenwasserfällen (= Pfeile) am Seibelseckle (links), oberhalb Dürrbaden (mittig) und am Ruhestein-Pass (rechts). Diese zufällig Anfang Dezember 2003 vorhandene Wolkensituation (= Temperatur-Inversionslage) ergibt nun ein ähnliches Bild wie bei einer mindestens 1000 m mächtigen Inlandeisbedeckung im (badischen) Oberrheingraben und im Nordschwarzwald (Foto: Prof. Dr. Ortlam).

 

 

Abb. 16: Hirtenstein (links hinter dem Baum) und Acherquelle (x = Hirtensteinquelle, 1.035 m NN) in der Karwandbasis des Mummelsees; Trockenwetterschüttung Ende November 2003 mit 10 l/sec (Foto: Prof. Dr. Ortlam).

 

 

Bemerkungen: In der Karwand des Mummelsees können noch weitere 3 Quellen lokalisiert werden. Es sind dies die Geröll-Quelle im Norden, die alte, gefasste Hornisgrinde-Quelle und die neue, gefasste Mummelsee-Quelle im Süden, die heute den Brunnen vor der Mummelsee-Kapelle speist. Sämtliche Quellen entstammen hydrogeologisch betrachtet dem gleichen Schichtquell-Niveau des tieferen Bausandsteins (smb) in 1.050 m NN Höhe wie die Hirtenstein-Quelle, kommen allerdings erst nach einer unterirdischen Fließstrecke von ca. 20 m im Kar-Gehängeschutt ans Tageslicht. Insgesamt ergibt sich also eine noch höhere Gesamt-Quellschüttung in den Mummelsee hinein (etwa das 1,5-fache der jeweiligen Hirtenstein-Quellschüttung). Der Mummelsee fungiert als natürlicher Stausee zur Brechung von Hochwasserspitzen, die trotzdem in den Jahren 1570, 1716, 1756, 1778 und 1824 zu gewaltigen Überschwemmungen im Achertal und –delta führten (nach H. Schneider 1974). Dabei können lediglich Steinblöcke bis zu einem Volumen von 2 m3 (= 5 to Gewicht) im Acherbett bewegt und transportiert werden. Im Achertal und den anderen benachbarten Tälern (Rench, Sasbach, Laufbach u. a.) liegen jedoch ebenso kantengerundete Erratikas (= Findlinge) bis zu 60 m3 (= 150 to Gewicht) vor (Abb. 17), die – im Vergleich zu den Findlingen in Norddeutschland mit maximal 135 m3 (= 350 to Gewicht) – nur vom Eis einer gewaltigen Vergletscherung transportiert werden konnten (D. Ortlam 2003). Außerdem wurden in Achern auf dem Acherdelta bis zu 1m mächtige, braune Hochflutlehme (im Bereich „Tiefmatten“ als „Blauer Letten“ bezeichnet) über Kulturschutt (z. B. Ziegelreste) abgelagert, wie dies in zahlreichen Baugruben Acherns zu beobachten war (z. B. Baugrube in der Acherner Ratskellerstrasse 12). Wie die verschiedenen Acher-Hochwässer der letzten 60 Jahre aufzeigen (12/1947: ~150 m3/sec, 5/1978: 130 m3/sec, 4/1983: 65 m3/sec, 10/1998: 75 m3/sec und 1/2004: 85 m3/sec jeweils am Wehr Oberachern) ergibt sich im Bereich des Acherner Schwimmbades eine gefährliche Überlaufstelle mit der Gefahr der Überschwemmung des gesamten Stadtgebietes von Achern, wie dies die dort verbreiteten Hochflutlehme früherer Zeiten eindeutig belegen. Die jüngste Bebauung und Aufhöhung des Areals „Hänferstück“ zwischen Achern und Oberachern entzieht der Acher zwischenzeitlich einen erheblichen Hochwasser-Polderraum (~1 Mio m³), sodass zukünftig höhere und gefährliche Überschwemmungsmarken für das Stadtgebiet von Achern zu erwarten sind. Daher sollte rechtzeitig ein entsprechender Schutzdeich zwischen dem Neubaugebiet „Hänferstück“ und dem Acherner Schwimmbad in Erwägung gezogen werden, um größere Hochwasserschäden vom Stadtgebiet Achern fern zu halten. Die Hochwässer der vergangenen 60 Jahre treten nämlich in immer kürzeren Abständen auf.

Der Mummelsee fungiert aufgrund seiner Größe (Fläche: 4,5 ha, maximale Wassertiefe: 18 m) und seines Wasservolumens von ~0,5 Mio m3 als Naturstausee zur Aufhöhung und zur Verstetigung des Trockenwetterabflusses in der Acher, sodass ihm dadurch eine überragende ökologische Bedeutung für das gesamte Achertal zukommt, die bereits im Mittelalter von der Bevölkerung erkannt und entsprechend genutzt wurde (z. B. landwirtschaftliche Bewässerung, diverse Mühlenbetriebe, auch entlang des Mühlbaches, einem ehemaligen natürlichen Acherlauf).

 

 

 

Abb. 17: Feinkörniger Seebachgranit-Findling (>150 to Gewicht) als Erratikum in einer 10m mächtigen Grundmoräne auf grobspätigem Achertal-Granit an der Nord-Böschung der Acher in Furschenbach (Foto: Prof. Dr. Ortlam).

 

 

Grimmerswaldbach-Quelle (Hütte ob Zimmerplatzkopf, Abb. 1), R: 34 40550  H: 53 86850; TK 7315 Bühlertal

(1)   Frühere Benennung erfolgt, jedoch keine konkrete Quellenlokalisation

(2)   Quellbach-Länge bis zur Einmündung in den Seebach unterhalb des Ortes Seebach (380 m NN): 6,000 km (zum Vergleich die Seebach-Länge: 6,100 km)

(3)   Quell-Höhe: 890 m NN (Schwarzwaldhochstrasse)

(4)   Quell-Typ: Schichtquelle (= Qu.) an der Grenze zwischen Buntsandstein und darunter liegendem Granit (an der Dachfläche zum auflagernden Buntsandstein verlehmt!, Abb. 6) mit unterschiedlich starken Quellschüttungen zwischen 5 und 20 l/sec

 

Alle Quellen liefern sehr weiche Wässer mit Härtegraden um 1° dH (= Deutsche Härte) und pH-Werten im sauren Bereich (4 bis 6 pH), da ihre ganzen Einzugsgebiete in (Hoch-)Moor-Arealen der Buntsandstein-Hochflächen liegen, und der Buntsandstein als Grundwasserleiter heute keinen Kalkgehalt mehr aufweist, weil dieser durch vadose Wässer (= Sickerwässer) beim Aufstieg des Schwarzwaldes abgeführt wurde. Die Quelltemperaturen der Buntsandsteinquellen (= Grundwasser) sind jahreszeitlich recht konstant mit 6° bis 8°C, während die Moorquellen (= Stauwasser) jahreszeitlich -- je nach Sonneneinstrahlung -- zwischen 0° und 20°C variieren können. Unterhalb der „Schmierbrücke“ durchläuft der Feldbach einen zusehends kalkhaltigen, kiesigen Untergrund (alpine Kalkgerölle), die die Gesamthärte des Grundwassers auf 25° dH und auch partiell die Gesamthärte des Acherwassers – abhängig von hydraulischen Verhältnissen -- deutlich anheben. Der relativ niedrige Chlorid-Gehalt aus dem Gebirge mit etwa 5 mg/l erhöht sich im Gewann „Salzwiesen“ südlich Gamshurst (Einmündung von Fautenbach und Pelzbach/Ansenbach) auf etwa 20 mg/l, was durch aufsteigende Salzwässer („saltspot“) durch den DGH-Effekt (D. Ortlam 2000) aus den Tiefen des Oberrheingrabens entlang einer Verwerfungszone verursacht wird.

Im Vergleich der verschiedenen genannten Oberläufe der Acher und den eingangs erwähnten hydrographischen Kriterien ergibt sich eindeutig eine Präferenz für den/die Seebach/das Seebächle/Mummelsee/Hirtenstein-Quelle als Oberlauf und somit als Quell-Lauf der Acher: längster Quell-Zufluss (um 0,6 km länger), höchst gelegene Quelle (200 m höher), größerer mittlerer Abfluss in Hinterseebach-Deckerhöfe. Der bisherige „Acher“-Lauf aus dem Ruhesteinloch sollte amtlich als „Ruhesteinbach“ mit den rechtsseitigen Nebenbächen Dürrbadenbach und Schwarzenkopfbach bis zur Einmündung in den Seebach oberhalb den Deckerhöfen bezeichnet werden.

Somit ändern sich die ersten drei benannten hydrographischen Daten des Acher-Fluss-Systems ab sofort folgendermaßen (Abb. 1):

 

Quelle der Acher: Hirtenstein-Quelle (hiermit) in der Mummelsee-Karwand auf 1035 m NN Höhe als Buntsandstein-Schichtquelle (mittlerer Bausandstein, Trockenriss-/Fährten-Horizont am Top des suG; Abb. 6)

Länge der Acher: 53,7 km bis zur Einmündung in den Rhein an der Wintersdorfer Eisenbahnbrücke unterhalb der Staustufe Iffezheim in 112 m NN Höhe; davon 6,1 km als Seebächle/Seebach (Oberlauf bis Grimmerswaldbach-Einmündung, 380 m NN), 10 km als Acher (Mittellauf bis Abzweigung Mühlbach am Wehr Oberachern, 165 m NN) und 37,6 km als Feld(er)bach (Unterlauf bis zur heutigen Mündung unterhalb der Rheinstaustufe Iffezheim)

Gefälle der Acher: 920 m (von der Hirtenstein-Quelle bis zur heutigen Mündung bei der Staustufe Iffezheim); davon 665m Oberlaufgefälle: 11%, 200 m Mittellaufgefälle: 2% und 55m Unterlaufgefälle: 0,013%

Gebirgseinzugsgebiet der Acher: 62 km2 (bis zur Abzweigung des Mühlbaches, Wehr Oberachern, 165 m NN, Abb. 13)

Minimal-Abfluss (NNW, Wehr Oberachern): ~0,2 m3/sec

Mittlerer Abfluss (MW, Wehr Oberachern): ~2 m3/sec

Maximal-Abfluss (HHW, Wehr Oberachern): ~180 m3/sec (12/1947)

Jahres-Abfluss (Wehr Oberachern): 63 Mio m³, entspricht einem Oberflächenabfluss Ao von ~1 Mio m³/km² = 1.000 l/m² = 1.000 mm/m²

Jahresniederschläge (zwischen Wehr Oberachern und Mummelsee): 1.200 mm bis 2.200 mm

 

4. Zusammenfassung der Ergebnisse

 

Aufgrund von historischen Recherchen der möglichen Quell-Läufe der Acher oberhalb von Ottenhöfen kristallisiert sich nun eindeutig der/die Seebach und das Seebächle als Oberlauf der Acher heraus. Eine andere Benennung des Acher-Oberlaufes ist historisch nichts Ungewöhnliches, was übrigens auch für ihren Unterlauf mit dem Namen „Feld(er)bach“ unterhalb der Mühlbachabzweigung (= natürlicher Acherlauf) in Oberachern gilt. Zahlreiche hydrographische Kriterien wie die größere Quellbach-Länge und die gleichmäßigere Wasserführung sowie die am höchsten gelegene Quelle sprechen eindeutig für den vorher genannten Quell-Lauf, im Gegensatz zum bisherigen (amtlich fehlerhaften) Quell-Lauf aus dem Ruhesteinloch (= Ruhesteinbach). Die Acher entspringt also nicht im Ruhesteinloch, sondern an der Hirtenstein-Quelle in der Karwand des sagenumwobenen Mummelsees in 1.035 m NN Höhe. Dieser Acher-Ursprung ist somit nicht nur historisch durch alte Kartendarstellungen belegt und in der Bevölkerung des hinteren Achertales verankert, sondern wird auch in der volkstümlichen Sage „Die guten Seejungfrauen“ bereits erwähnt, sodass auch das Prioritätsrecht zum Tragen kommt und zu beachten ist. Außerdem trägt der Mummelsee mit seinem natürlichen Speicherpotential zur Brechung von Hochwasserspitzen und zur Niedrigwasser-Aufhöhung bei, was für das gesamte Achertal einschließlich der (natürlichen) Mühlbachabzweigung (Swarzaha = Schwarzwasser) als ehemaliger Acherlauf große ökologische und wirtschaftliche Bedeutung besaß und besitzt. Die neu erkundeten hydrographischen Daten der Acher werden benannt.

Daraus ergibt sich nun die Konsequenz, die Quelle der Acher wieder ihren alten, historisch angestammten Platz an der Hirtenstein-Quelle (hiermit) in der Karwand des Mummelsees einnehmen zu lassen und diesen amtlichen Irrtum des 19. Jahrhunderts möglichst bald vor allem unter dem Aspekt des Prioritätsprinzips auf den einschlägigen Kartenwerken zu korrigieren. Die jetzigen Erkenntnisse zur Lage der Acher-Quelle stellen daher in jeder Hinsicht die beste Lösung dar.

Die Genese des bis 1936 (Bau der Schwarzwaldhochstrasse durch die NS-Organisation „Todt“) vorhandenen Ruhesteins im Ruhestein-Pass (916 m NN) stellt sich nun als erratischer Block dar, herantransportiert von einer mindestens 1.000 m mächtigen Skandinavischen Inlandeisdecke einer prä-risszeitlichen Kaltzeit, d. h. älter als 500.000 Jahre.

 

5. Danksagung

 

Bei der Erkundung von historischen Quellen waren mir dankenswerterweise folgende Institutionen (und Personen) behilflich, stellten freundlichst diverses Material zur Verfügung und diskutierten mit mir die neuesten Erkenntnisse:

 

--- Forstrevier Schwarzenkopf, Ottenhöfen (Herr Weissinger)

--- Foto Wortmann, Achern (Frau Wortmann-Schneider)

--- Gemeinde Seebach (Herr Bürgermeister Schmälzle)

--- Gewässerdirektion Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Offenburg/Baden (Herr Jörger)

--- Herr Grützmann, Oldenburg

--- Gymnasium Achern (Herren Bubenhofer, OSTD Droll und Nissel)

--- Historische Bibliothek des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums, Rastatt (Herr Heid)

--- Naturschutz-Zentrum Ruhestein (Herren Ebel und Dr. Schlund)

--- Herr Pfarrer i. R. Bidermann, Kniebis

--- Stadtarchiv Achern (Frau Rumpf)

--- Waldgenossenschaft Seebach (Herr Breig)

--- Herr Dr. Vogt, Karlsruhe

 

6. Literatur

 

BADER, Johann & KIEFER; Christian (~1850): Führer für Fremde durch die Umgebung von Achern. – 21 S., zahlreiche Lithos, (P. Wagner) Carlsruhe.

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BIDERMANN, Willi (2004): Ruhestein – vom Rastplatz zum Luftkurort. – 102 S., zahlreiche Abb., (Selbstverlag) Freudenstadt.

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SCHEURER, Werner (1982): Pfarrkirche St. Nikolaus Kappelrodeck. – Schnell-Kunstführer Nr. 1365, 31 S., zahlreiche Abb., (Schnell & Steiner) München/Zürich.

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*Anschrift des Autors und Copyright: Dir. und Professor Dr. Dieter ORTLAM, Dipl.-Geologe; P.O.B. 102701, D-28027 Bremen.

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