Die Quelle des Saluen (= Nag Chu, Tibet)

 

Zum Gedenken an die großen Wiener Geowissenschaftler und Umweltbewahrer

Prof. Dr. Alexander Tollmann (1928-2007) & Dr. Edith Kristan-Tollmann (1934-95)

von

 

Dieter ORTLAM*

 

mit 3 Abb.

 

Copyright beim Autor, alle Rechte vorbehalten

 

Glazialgeologische Untersuchungen in Hochgebirgen von Tibet am Ende des vorigen Jahrhunderts brachten den Autor zu der Erkenntnis, dass der Tibetische Changtang (mittlere Höhe: 4800m NN) während einer bedeutenden, zeitlich noch nicht identifizierten Kaltzeit mit einer Inlandeisdecke von 1000 bis 1500m bedeckt war. Dieser Befund konnte durch den Nachweis von weit verbreiteten erratischen Blöcken bis in die Gipfelregionen der 6000er-Fluren des Nyanchen Thangla (= Transhimalaya S. HEDIN´s) und von chaotisch gestalteten Gletschertöpfen bis in 5500m NN Höhe nachgewiesen werden. In den tiefer gelegenen Talbereichen Süd-Tibets (z. B. Kyi Chu und Yarlung-Tsangpo) lagen dann konsequenterweise Inlandeismächtigkeiten bis zu 2500m vor.

Im Rahmen dieser glazialgeologischen und geophysikalischen Erkundungen (ORTLAM 1991) erforschte der Autor nebenbei auch die Quellen verschiedener asiatischer Flusssysteme. So gelang es ihm in den Jahren 1989 und 1990 die Quelle des Saluen (= Salaween) genau östlich der beiden Tangula-Pässe nördlich der Stadt Amdo zu fixieren. Der Oberlauf des Saluen wird im Tibetischen Changtang als Nag Chu bezeichnet, wovon sich auch der Name der Stadt Nagchu -- unweit des Flusses gelegen – ableitet. Dort vermutete man bisher die Quelle des Saluen (Abb. 1).

 

 

Abb. 1: Oberlauf und Quellgebiet des Saluen, des Tibetischen Nag Chu, östlich der Tangula-Pässe (östlicher Tangula-Shan) in Nord-Tibet.

 

 

Quelle: Sie entspringt in einem stark zurückschmelzenden und somit variablen Gletschertor des südlichen Chrebet-Gletschers in 5450m NN Höhe des östlichen Tangula-Shan zwischen den beiden Bergen des nördlichen (5881m NN) und des südlichen Chrebet-Peaks (5722m NN) mit folgenden (Quell-) Koordinaten:

 

N 32° 43´ und E 92° 13´

 

Die Quelle befindet sich etwa 34km südöstlich des nördlichen Tangula-Passes (5231m NN, Abb. 2) und etwa 41km nordöstlich des südlichen Tangula-Passes (5165m NN).

 

 

 

Abb. 2: Blick vom (nördlichen) Tangula-Pass (5231m NN) nach Südosten zum (nördlichen) Chrebet-Peak (5881m NN, Pfeil) im östlichen Tangula-Shan (Nord-Tibet). Foto: Verfasser.

 

 

 

Flusslauf: Der Nag Chu erreicht nach 105km in südwestlicher Richtung den Amdo-Donak-See (4585m NN) mit einem mittleren Gefälle von 8% (Abb. 3). Nach Durchfluss dieses und eines nachfolgenden kleinen Süßwassersees erreicht der Nag Chu nach weiteren 180km in südöstlicher Fließrichtung den (ersten) Stausee von Datang (4300m NN) mit einem mittleren Gefälle von 1,6%. Danach fließt er weitere 120km in östlicher Richtung in eine Schlucht mit einem mittleren Gefälle von 1,8% und vereinigt sich in 4090m NN Höhe mit dem 260km langen und von Norden einmündenden Om Chu, der unweit nordöstlich der Nag Chu-Quelle entspringt, zum Saluen. Der Oberlauf des Saluen, der Nag Chu, weist also eine Gesamtlänge von 405km auf. Die Gesamtlänge des Saluen beträgt somit jetzt 2980km und reiht sich hiermit in die Liste der 10 längsten Ströme Asiens ein. Das mittlere Gefälle des weiteren Saluen-Laufes (= 2575km) bis zur Einmündung in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) beträgt dann noch 1,6%, wobei noch ein steilerer Mittellauf (Gefälle >2%) von einem flachen Unterlauf (Gefälle <0.5%) zu differenzieren wäre. Der Saluen entwässert den östlichen (Süßwasser-) Changtang (hiermit), so dass hier keine abflusslosen Salzseen zu beobachten sind, wie direkt westlich von dessen Oberlauf (Abb. 1), dem gebietsmäßig größeren (Salzwasser-) Changtang (hiermit).

 

 

Abb. 3: Oberlauf des Nag Chu (Höhe: ~4600m NN) etwa 7km südlich der Stadt Amdo, Blick vom Tibet-Highway (Lhasa-Golmud) nach Westen. Foto: Verfasser.

 

 

Einzugsgebiet: Der Oberlauf des Saluen d. h. bis zur Einmündung des Om Chu in den Nag Chu (Abb. 1) weist zusammen ein (Teil-) Einzugsgebiet von ~31000km2 auf. Das gesamte Einzugsgebiet des Saluen beträgt etwa 100000km2. Er ist einer der wasserreichsten Ströme Asiens, da sein Einzugsgebiet in den niederschlagreichen Gebirgsketten des östlichen Himalaya liegt.

 

Mündung: Der Saluen durchfließt die östlichen Teile von Tibet (Provinz Kham) in südlicher Richtung und wird durch fortwährende Murenabgänge – bedingt durch die umfangreiche Abholzung der Wälder Osttibets seit dem Jahre 1950 (chinesische Besetzung Tibets) – zusehends zum „Gelben Fluss“ mit gewaltigen Boden- und Sedimentfrachten und allen ihren negativen (teuren) Umweltfolgen. Nach der Durchströmung von Südwest-China und von Myanmar (= Birma) mündet er bei der Stadt Maulamyaing in den Golf von Martaban des nordöstlichen Indischen Ozeans.

 

Literatur:

 

GOOGLE EARTH (2007): Topographische Karten.

UDSSR (1969): Topographische Karten 1:500000; Blätter I-46-B „Amdo“ und H-46-A „Dansion“.

ORTLAM, D. (1991): Hammerschlag-seismische Untersuchungen in Hochgebirgen Nord-Tibets – Z. Geomorphologie, N. F. 35,4:385-399, 12 Abb., 1 Tab., Berlin/Stuttgart.

 

*Autorenadresse und Copyright: Dir. u. Prof. Dr. Dieter ORTLAM, P.O.B. 102701, D-28027 Bremen.